Freud und Leid auf dem Gabentisch

An Weihnachten gibt’s Fisch, Dorade, genauer gesagt am 2. Weihnachtsfeiertag, wenn meine orientalische Familie anrückt, die so gerne Fisch isst. Dann also Fisch. Heute im Großmarkt erstanden. An Heiligabend sind mein Wandersmann und ich alleine und machen Fondue. Ich freue ich Freud und Leid auf dem Gabentischwie Bolle! Gemütlich. Ruhig. Besinnlich. Und der Baum steht schon, er muss noch „aushängen“, wie man so sagt, er ist riesig und kommt aus einem gräflichen Forst. Wunderschön finde ich ihn, einfach wunderschön!

Es ist das zweite Weihnachten hier in Kettwig, mir gefällt es so gut bei meinem Wandersmann, ich liebe ihn und ich liebe die Wohnung, in der wir es uns so gut gehen lassen. Was für ein Glück. Ich fühle mich schon irgendwie privilegiert, das gebe ich zu.

Heute Abend habe ich einen Bericht gesehen von einem Unfall, ein Falschfahrer ist in ein entgegenkommendes Auto gekracht. Alle Unfallbeteiligten kamen dabei ums Leben. Ein Bild von den zerstörten Autos wurde gezeigt, zu sehen war auch ein verpackter Tannenbaum, der auf der Fahrbahn lag.

Da wollte jemand sein Weihnachtsfest vorbereiten. Hatte sich den Baum besorgt. Und lebt nun nicht mehr. Eine Familie wird am Abgrund sein. Von jetzt auf gleich. Es liegt alles so nah beieinander. Wir waren in der vergangenen Woche auf einer Trauerfeier. Ein Mensch hatte sich das Leben genommen. Ich kannte ihn nur flüchtig, mein Wandersmann kannte ihn viele Jahre. Mir geht das sehr nahe, ich kannte diesen Menschen nicht wirklich, ich kenne die Menschen des eingepackten Tannenbaums gar nicht. Aber es geht mir sehr nahe. Freud und Leid liegen so dicht nebeneinander.

Auf der Trauerfeier sprach ich mit einer Frau, deren akute Krebsbehandlung nun vorbei ist. Sie könne nicht mehr planen, sagte sie mir, und ich erinnerte mich an meinen 10-Jahres-Weiser, den ich damals, als mich die Krebsdiagnose traf, gerade beendet hatte. Ich konnte mir keinen neuen kaufen. Planen? Wie sollte das gehen?

Letztes Jahr zu Weihnachten schenkte ich mir einen neuen. Keiner von uns weiß, ob er solche Bücher wird füllen können. Ob krank oder gesund, jung oder alt. Es steht in den Sternen. Aber meine Sterne leuchten wieder. Und darum kann ich wieder planen. Es hat sich im Grunde nichts verändert. Außer im Kopf, wie man so sagt (und der hat sich auch verändert, gewaltig sogar, was an den weißen Haaren liegt, aber das ist ein anderes Thema…).

Jedes Weihnachtsfest ist für mich etwas Besonderes, immer schon gewesen, als Kind war es das Fest der Feste für mich, ich habe so viele wunderschöne Erinnerungen an die Heiligabende bei meinen Großeltern. Ein Zauber lag über dem Haus und der hatte mich jedes Mal vollständig ergriffen.

An Weihnachten tauche ich in diese kindliche Ergriffenheit ein wenig ab, ich erinnere mich, wie es war, sehe, wie es ist, es geht mir gut damit. Ich kann wieder planen. Das vielleicht schönste Geschenk des Lebens an mich. Die Zeit mit meinem Wandersmann.

Der traurige Weihnachtsbaum auf der Fahrbahn, der nun kein Zimmer mit seinen Lichtern erstrahlen lässt, der erinnert mich brutal daran, dass Freud und Leid ganz ganz dicht beieinander liegen.

Ich wünsche Euch ein wirklich besinnliches Fest!

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Freud und Leid auf dem Gabentisch
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