Hochzeitsreisen mit Hindernissen

Es fing damit an, dass der Flieger nicht kam. Was bei uns ein klein wenig Besorgnis aufkommen ließ, schließlich hatten wir nur eine Stunde Zeit, in Istanbul umzusteigen. Und eine Stunde ist knapp, wenn man den Flughafen in Istanbul kennt. Denn der ist groß. Sehr groß. Düsseldorf ist dagegen ein Flughäfelchen. Meine Schwester jedenfalls kennt Istanbul, die Stadt, und sie kennt den Flughafen. Gut sogar. Sie kennt die wichtigste Transitabkürzung, die man sonst kaum findet, wenn man davon nicht weiß.

So wussten wir, der ellenlange Weg von mehr als einer halben Stunde kann abgekürzt werden, auf gut 10 Minuten. Alles eingerechnet, darf der Flieger demnach nicht mehr als eine halbe Stunde Verspätung haben, sonst klappt das nicht. Keine Sorge meinte meine Schwester, die warten. Der Flieger wurde genau die halbe Stunde später angekündigt. Keine Sorge, meinte der freundliche Mitarbeiter von Turkish Air, wir holen die Verspätung wieder ein.

Bloß der Flieger kam trotz Ankündigung nicht. Eine weitere halbe Stunde war klar, jetzt brauchen wir die halbe Stunde „einholen“ und die Abkürzung. Sonst geht es gar nicht. Der Flieger kam. Musste zunächst ent- und dann beladen werden, die Passagiere mussten aussteigen und die Putzkolonne musste rein. Die Putzkolonne war drin und es war klar, halbe Stunde reinholen und Abkürzung reicht nicht, jetzt muss noch Warten dazu kommen. Die warten, beruhigte meine Schwester uns erneut, die wissen doch, dass ihr kommt.

Hochzeitsreisen mit HindernissenTja, sie mögen es gewusst haben, aber gewartet haben sie trotzdem nicht. Und aufgeholt hat der Flieger auch nichts, der Rückenwind scheint von vorn geblasen zu haben. Die Abkürzung nutzte ebenfalls nichts und das Flitzen auch nicht, der Flieger war weg. Und wir standen da. Offensichtlich nicht nur wir, auch etliche andere aus dem Flieger, die wir dann am „Transferdesk“ wieder getroffen haben, wohin man uns dann schickte. Nicht nötig zu erwähnen, dass auch der Weg dahin sehr, sehr lang war.

Dort wurde viel telefoniert, bis wir alle ein Hotelzimmer hatten. Und noch mehr telefoniert, bis wir auch unsere Koffer abholen konnten. Denn da war alles drin, im Handgepäck darf man ja nicht mal Zahnpasta mitnehmen. Wir sollten zum achwasweißichwiedasheißt-Desk gehen, dorthin würden unsere Koffer gebracht. Von dem langen, sehr langen Weg bis dahin brauche ich nichts zu erzählen, oder? Dort angekommen, wurde uns gesagt, dass man die Koffer zwar holen könne, es aber eine Stunde dauern würde, bis sie geliefert werden könnten und wir darum doch lieber ohne in ein Hotel fahren sollten. Das sei aber unsere Entscheidung.

Hochzeitsreisen mit HindernissenIch traf eine Entscheidung, nicht ohne unsere Koffer, vor allem nicht ohne meine in meinem Koffer befindlichen medizinischen Utensilien. Und siehe, nach 20 Minuten waren sie da, die Koffer.

Man brachte uns zum Ausgang, dort hieß es noch einmal warten. Neben uns saß ein junges Pärchen auf dem Weg zur Hochzeitsreise nach Indien, wie sie uns mit glücklichen Gesichtern erzählten. Und wir erzählten ihnen, dass unser Hochzeitstag ist und wir zur Hochzeit unserer Nichte fliegen, Zufälle gibt es, die können nicht zufällig sein 😉 und dann ging es ganz schnell, wir wurden einem hektisch organisierenden Mann mit WalkieTalkie zugeteilt, der uns und etliche andere zu den Bussen brachte, die auf uns warteten.

Für jedes Hotel ein anderer Bus. Wir waren für Ramada Encore eingeteilt, mitten in der Stadt, doch das wussten wir da noch nicht. So standen wir vor dem Kleinbus, ein älteres Exemplar (um nicht zu sagen ein sehr altes Klapperteil), und stiegen ein. Mit uns sollte auch ein Mann transportiert werden, der mir schon im Flieger aufgefallen war. Er trug traditionelle arabische Kleidung und hatte einen bandagierten Fuß, der entsetzlich aussah, aufgequollen und lila gefärbt. Er konnte nicht laufen und hatte darum einen Rollstuhl dabei. Er sah ein wenig abgerissen aus, seine Kleidung war alt und zerschlissen, er sprach allerdings akzentfrei Englisch. Vermutlich war er zur medizinischen Behandlung im Ausland, was hier in vielen orientalischen Ländern üblich ist, wer im Land nicht behandelt werden kann, wird ausgeflogen, der National Health Service bezahlt das.

Unser Bus hatte eine Rampe, das mit dem Rollstuhl sollte also kein Problem sein. Dachten wir. Dachte auch der Fahrer. Jedoch ging die hintere Türe nicht auf, unter der die Rampe angebracht war. Die Türen werden mit Fernbedienung geöffnet, auch an diesem alten Klapperteil, aber so oft der Fahrer auch auf diverse Knöpfe drückte, es brummte kurz oder klackte, aber die Tür blieb geschlossen.

Der Fahrer griff zum Handy, wir verstanden zwar nichts, aber er muss Anweisungen erhalten haben, was zu tun ist, denn er suchte im ganzen Wagen nach Werkzeug, überall waren Schubfächer, wo alles mögliche Zeug drin war. Er wurde hektisch, denn er fand offensichtlich nicht das Benötigte. Ein weiterer Mann kam hinzu, versuchte zu helfen, noch einer kam und noch einer und am Ende waren viele Männer, alle mit Handy am Ohr, damit beschäftigt, irgendwas zu suchen und zu machen, Werkzeuge wurden gefunden, rumgehämmert wurde, geschraubt, gedrückt, doch was auch immer gemacht wurde, es half nicht. Die Türe blieb zu. Mein Wandersmann und ich saßen im Bus und schauten uns das Spektakel an und auf einmal mussten wir lachen und konnten kaum noch aufhören 😉

Als dann klar war, alles hämmern und werkeln führt zu keinem Erfolg, wurde entschieden, den Mann im Rollstuhl in die Seitentüre reinzuhieven. Das ging aber mit Rollstuhl nicht, der war zu sperrig, alleine vielleicht, aber nicht bemannt. So musste der arme Mann mit dem kranken Fuß aus dem Rollstuhl raus und die Stufen ins Auto hoch. Natürlich wurde ihm geholfen und es waren ja auch genug Hände da, aber es war nicht leicht, der Fuß schmerzte offensichtlich, so richtig festhalten konnte er sich nirgendwo, dafür war der Wagen einfach nicht gedacht, da war nichts Behindertengerechtes dran, absolut nichts, außer die Rampe. Aber die funktionierte ja nicht.

Schlussendlich saß er auf der vorderen Sitzbank, wo wir zunächst gesessen hatten, der einzige Platz, auf dem er sein Bein ausstrecken konnte. Der Rollstuhl wurde neben ihn platziert, das klappte nicht wirklich, aber er wurde einfach reingeklemmt, die Türe zugeschoben und so hielt das ganze Konstrukt. Mehr oder weniger.

Die Fahrt konnte beginnen. Es ging aus dem Flughafen raus und da es bereits dunkel war, konnte man, bis auf die Lichter in den Häusern, nicht viel sehen. Und diese Lichter wurden immer weniger, bis sie schließlich ganz verschwanden und wir durch die Dunkelheit fuhren.

Hochzeitsreisen mit HindernissenIn mir verfestigte sich die Befürchtung, wir werden zur syrischen Grenze gefahren, dort abgekippt und dann verschwindet der Wagen. Doch bevor ich mich weiter in meine Fantasien reinsteigern konnte, kamen die Lichter zurück, wurden immer mehr und am Ende war es Istanbul, was vor uns lag. Die Schönheit war nicht zu sehen, nur Millionen Lichter über der Stadt 🎼🎶🎵lalalaaaaa … und die brachten uns wirklich sicher durch die Nacht, in ein Hotel.

Es war ein einfaches aber gutes Hotel, allerdings hatte die Küche schon geschlossen. Doch nicht weit, nur zweimal um die Ecke, so wurde uns erzählt, gäbe es viele Dönerrestaurants. So zogen wir los und es war wirklich nicht weit, da saßen wir draußen vor einem Lokal und bekamen die köstlichsten Speisen vorgesetzt. Danach den traditionellen Chai Tee und die Welt war fast wieder in Ordnung.Hochzeitsreisen mit Hindernissen

Kaum im Hotel zurück, lagen wir schon im großen und bequemen Bett und fielen in Tiefschlaf. Anderntags konnten wir ausschlafen, noch ein wenig die Stimmung in Istanbul genießen und dann ging es auch schon zurück zum Flughafen. Ein paar klitzekleine Schwierigkeiten waren noch zu meistern, aber das war nicht der Rede wert, bald saßen wir im Flieger und knappe vier Stunden später landeten wir in Bahrain.

Hochzeitsreisen mit Hindernissen

Und nun genießen wir das Haus meiner Schwester, freuen uns auf die Hochzeit und am Himmel strahlt die Sonne!

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