Hochzeit in London – alt werden in London

Ich sitze im Marriott-Hotel in Maida Vale, erlesene Gegend, Wiki meint dazu, dass es zur City of Westminster gehört und  eines der wohlhabenden Quartiere Londons ist. Das Straßenbild wird geprägt von Wohnhäusern in Viktorianischer und Edwardinischer (was immer das ist) Architektur. Hier liegt auch Little Venice, ein von Kanälen durchzogenes Wohnviertel. Edel mithin. Das merkt man wirklich, wenn man durch die Straßen fährt. Großbürgerlich, Schlossallee würde Monopoly das nennen 😉

Jedenfalls wurde dort geheiratet, denn da ist das Islamic Center of England. Danach ging es in ein wirklich gutes libanesisches Restaurant, denn ein Teil der Familie kommt aus Beirut. Das ganze Familienkonglomerat ist ein Mix aus Arabisch, Französisch und Deutsch, und wenn ich mich recht erinnere, ist auch noch etwas Schweizerisches dabei 😉

Hochzeit in London - alt werden in LondonDas Sprachengewirr war jedenfalls etwas unübersichtlich und es kam durchaus vor, dass man durcheinander kam und in einer Sprache antwortete, die das Gegenüber nicht verstand, dafür aber die daneben und das sorgte zuweilen für lustige Wortwechsel. Am Ende rauchte meinem Wandersmann und mir der Kopf und so zogen wir uns nach dem köstlichen Mahl zurück in unser Hotel.

London ist eine großartige Stadt, voller Leben. Es ist nahezu immer was los, immer und überall sind Menschen, der Straßenverkehr ist gigantisch, an Bushaltestellen stehen zuweilen bis zu sechs dieser riesigen roten Busse, die Menschen werden permanent irgendwohin transportiert, es ist absolut normal, sich in einem Restaurant zu treffen, was eine Stunde entfernt ist, immer noch in London, die Stadt ist riesig. RIESIG. Man wohnt in London und trifft Freunde in London und ist tatsächlich eine Stunde oder länger unterwegs. Wenn ich an das beschauliche Düsseldorf denke, immerhin Landeshauptstadt, wenn man da eine Stunde unterwegs ist, dann ist man schon in Köln 😈

Aber, und das ist mir jetzt klar geworden, ich kann das nicht mehr, ich will es nicht mehr, ich bin nicht mehr jung genug dazu. Wenn man hier sein Lebtag gelebt hat, alt geworden ist, dann mag es etwas anderes sein. Aber jetzt, heute, mit 63 Jahren, hierhin ziehen, nein, das ginge nicht mehr. Ein Haus am Eaton Place, reichlich Personal… ok, könnten wir drüber reden… 😉

Alles hat seine Zeit, und die Zeit der jugendlichen Träume ist lange vorbei, die Zeit der aufregenden Begegnungen, die Zeit der Umzüge, die Zeit der Wohnungsplanungen… ich lebe jetzt in dem alten Häuschen meiner Großeltern, in dem ich aufgewachsen bin, das wird vermutlich (und hoffentlich) noch lange so bleiben. Und wenn die Straße vor dem Haus voller fremder Autos steht, dann ist mir das schon zu viel.

Das Leben ist kleiner geworden. Übersichtlicher. Heute in London spüre ich das deutlich. Vor mehr als drei Jahrzehnten habe ich meine Schwester hier regelmäßig besucht, sie studierte an der SOAS. Wir waren auch ständig unterwegs, am liebsten mit der Tube, sind von Hott nach Hüh gelaufen und liebten die jugendliche Rastlosigkeit, die für uns damals das normale Leben war, die Lichter der Stadt, das pulsierende Leben, die vielen Menschen, die Geschäfte, Neonreklamen, alles nahm irgendwie kein Ende, leuchtete und strahlte vor sich hin und war ständig in Bewegung. Und Bewegung war etwas, ohne das wir nicht leben konnten. Glaubten wir jedenfalls.

Tja und heute besuche ich meine Nichte, die ebenfalls hier studiert hat und die Liebe zu London von ihrer Mutter erbte. Nun wohnt sie hier, hat eine gute Arbeit gefunden, eine schöne Wohnung gekauft, einen netten Mann kennengelernt und gestern geheiratet.

So ist das Leben, es geht weiter. Das pulsierende Leben, mich strengt es an, meine Nichte genießt es.
Alles hat seine Zeit.

Hochzeit in London – alt werden in London
Markiert in:             

ich freue mich über Kommentare:

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.